Der Sinn des Klebens

Ist doch ganz einfach mit dem Rauchen aufzuhören: Pflaster statt Laster! Dafür klappt’s wieder mit dem Sex. Allerdings: Lesen zu können schadet dabei nicht, meint unser Kolumnist Martin Trockner.

TEXT: MARTIN TROCKNER

Hat echt Vorteile, lesen zu können. Vor allem dann, wenn man wie ich mit dem Rauchen aufhören möchte. Aber wie bei so vielen Fähigkeiten kommt es immer darauf an, ob man sie auch ein­setzt. So verfüge ich über einen Willen, der es mir eigentlich leicht machen sollte, nicht jeden Tag 27 Zigaretten in den Mund zu stecken und dabei so viel Teer einzuatmen, dass man eine Auffahrt damit asphaltieren könnte. Allerdings setzte ich diesen Willen nicht ein, denn mir fehlte die Motivation, mit der Qualmerei aufzuhören. Der Ansporn Nichtraucher zu werden kam dann folglich auch nicht von mir, sondern von meiner Freundin, die mir mit Liebesentzug drohte (sowohl geistigem als auch körperlichem), sollte ich weiterhin so unfassbar nach Rauch stinken - und ich schätze, sie bezog sich dabei weniger auf den Geruch meiner Klamotten als auf die Aus­dünstungen meines Körpers.  

Zugegeben: Die Wahl zwischen Nikotin und Sex fiel mir nicht leicht. Erst nach zwei Tagen stellte ich fest, dass ich eher ohne Zigaretten als ohne Beischlaf sein konnte. Und wollte. Um letzteren wieder regelmäßig zu bekommen beschloss ich, den Entzug mit Nikotinpflaster zu wagen. Doch das stellte ich mir nicht nur sehr ein­fach (Pflaster aufkleben, Nikotin über die Haut aufnehmen, Problem gelöst), sondern auch sehr günstig vor. Ich irrte in beiden Annahmen und staunte nicht schlecht, als der Apotheker für 14 Nikotinpflaster fast denselben Preis aufrief wie für eine Stange Zigaretten.  

Als starker Raucher begann ich mit der stärksten Dosierung. Dabei sollen über einen Zeitraum von bis zu acht Wochen täglich 25 Milligramm Niko­tin aufgenommen werden. Im Anschluss wird die Dosis der Pflaster für zwei Wochen auf 15 Milli­gramm und später noch mal für zwei Wochen auf 10 Milligramm reduziert. Nach drei Monaten wäre man rauchfrei, behauptet der Hersteller. Drei Monate! Hitler hatte in derselben Zeit halb Europa eingedeutscht! Das muss doch schneller gehen. Ich wollte jetzt nicht mehr rauchen (und wieder Sex haben). Also entschloss ich mich zur Eigen­medikation, klebte mir drei Pflaster auf die rechte Pobacke und wartete.  

Tatsächlich verspürte ich schon am nächsten Tag überhaupt keine Lust mehr auf eine Zigarette. Was aber auch daran lag, dass ich die meiste Zeit auf der Toilette verbrachte, wo mich meine Kör­persäfte rücksichtslos und ruckartig verließen. Wie eingangs erwähnt, ist die Fähigkeit lesen zu können unerlässlich, um Nichtraucher zu werden.   Hätte ich die Packungsbeilage auch nur überflo­gen, hätte ich gewusst, dass ich mir mit drei hoch dosierten Pflastern nikotintechnisch den goldenen Schuss gesetzt hatte. Und außerdem hätte ich nicht nur eine Überdosis vermieden, sondern mir die Dinger auch gleich an die richtige Körperstelle geklebt. Trocken, unbehaart und fettfrei soll sein. Es dauerte eine Weile, bis mir eine andere Stelle als mein Intimbereich dafür einfiel. Doch mit nur einem Pflaster auf dem Oberarm wurde ich nicht Herr über meine Sucht. Der einzige Vorteil war, dass ich mir dank des Nikotinpflasters nachts nicht mehr den Wecker stellen musste, um eine Ziga­rette zu rauchen. Nach zwei Wochen setzte ich trotzdem die Pflaster ab. Ich konnte es mir finanzi­ell einfach nicht leisten, zu rauchen und gleichzei­tig damit aufzuhören.