Kolumne: Public Viewing

Wer nicht mal allein auf die Toilette geht, der kann seine Freundin auch mit zum Public Viewing nehmen. Meint zumindest unser Kolumnist Martin Trockner.

Die Gleichberechtigung der Frau hat viel Gutes hervorgebracht. Man muss als Mann nicht mehr allein die ganze Kohle nach Hause schleppen und die Handlungsstränge in Pornofilmen haben sich ebenfalls wesentlich verbessert.

Und - auch das muss man sagen - die Gleichberechtigung hat ihre Schattenseiten, die nicht nur in Form von Alice Schwarzer oder Ursula von der Leyen auftreten. Denn früher, ja früher, gab es mal Orte auf diesem Planeten, an dem ein Mann ganz für sich sein konnte. Heute gibt es die kaum noch, mit Ausnahme der Toilette vielleicht (und wer sich jetzt fragt: Warum Toilette?, sollte sich was schämen). Aber egal. Fassen wir kurz zusammen. Alles war halbwegs gut, bis zum Jahr 2006. Dann kam die Fußball-Weltmeisterschaft nach Deutschland.

Was als Sommermärchen begann, ist seitdem ein Endlostrauma für die Männerwelt. Schuld daran ist das Public Viewing, das es ermöglichte, mit tausend Gleichgesinnten die WM öffentlich zu verfolgen. Das Problem nur: Die tausend Gleichgesinnten kamen alle in weiblicher Begleitung. Juristisch gesehen würde dies schon beinahe den Tatbestand der Aufwiegelei erfüllen. Aber es war eigentlich noch viel schlimmer. Frauen begreifen eine solche Veranstaltung nicht als das, was sie eigentlich ist: eine organisierte Gruppenveranstaltung mit dem Ziel, sich ohne schlechtes Gewissen zu betrinken.

Frauen begreifen Public Viewing als eine Art gemeinschaftliche Erfahrung. Was den Männern aber letztendlich zum Verhängnis wurde, war, dass Frauen die romantische Seite des Fußballs entdeckt haben (schon klar, die gibt es nicht, genauso wenig wie es eine romantische Seite am 2. Weltkrieg oder an der Umsatzsteuer-Voranmeldung gibt). Sie entdeckten ein neues Gefühl der Verbundenheit zu ihren Männern, weil diese sie an dem Sportteil ihres Lebens teilhaben ließen. Eine Art Liebesbeweis, dem die ganze Welt beiwohnen darf, auch wenn 98 Prozent der Anwesenden so rotzbesoffen sind, dass sie sogar die Eckfahne rammeln würden.

Liebe macht also nicht nur blind, sondern auch fußballgeil. Frauen fühlen sich deshalb seit Sommer 2006 befähigt, ja, beinahe berufen, an öffentlichen Fußballübertragungen teilzunehmen. Einfach formuliert: Sie wollen mitkommen. Immer. Jedes. Einzelne. Gottverdammte. Mal. Seitdem haben wir Männer beim Public Viewing mit Frauen dasselbe Problem, das der FC Bayern mit den Dortmundern hat: Wir werden sie einfach nicht mehr los.