Grand mit vier Rädern: Der Grand Turismo

Nie war es schwieriger, für sich dass passende Automobil zu finden. Oder einfacher? Die Gefahr der Verwirrung ist groß. Seit es bei den Herstellern in Mode gekommen ist, jede noch so kleine Marktnische mit einem speziellen Modell zu besetzen, stellt sich mehr denn je die Sinnfrage nach dem Einsatzgebiet.

In diesem Fall für den 3er GT von BMW in der Variante 325d:

Wieviel Dreier sind genug? Wie schön einfach es Mitte der 70er-Jahre doch war. Als 1975 der erste Dreier von BMW als Zweitürer (Baureihe E21) vorgestellt wurde, war die Kaufentscheidung eine monothematische. Klar gab es auch damals schon ein paar Motorvarianten, aber die steckten eben unter ein und derselben Karosse. Und heute? Gönnt sich der wahre Dreier-Freund am besten nicht nur einen flotten Dreier, sondern eine ganze Dreier-Flotte. Eine größere Erbschaft oder einen fetten Lottogewinn vorausgesetzt. Die eigene, kleine Tiefgarage wäre auch von Vorteil, denn wir könnten uns leisten: Die Limousine für den Alltag, den Touring für die problemlose Mitnahme des Familienhundes, das Cabrio als fahrbares Bräunungsstudio, das Coup™ zur Freude am Fahren zum nächsten Rendezvouz, den X3 für gelegentliche Ausflüge ins Gelände. Und seit letztem Sommer den Grand Turismo.  

Wer braucht den Grand Turismo? Im Wortsinn alle, die auf „große Fahrt“ gehen wollen. So die freie Übersetzung des Kürzels GT. Der Begriff kommt als Klassifizierung aus dem Rennsport und meinte Langstrecken-Sportwagen, die relativ komfortabel und gut motorisiert waren. Klassische Einatzbereiche: 24-Stundenrennen wie Le Mans, Spa oder Nürburgring. Geprägt wurden die Grand Turismo-Renner übrigens vor allem von Ferrari in den 50er- bis 70er-Jahren. Weshalb BMW den Begriff übernahm? Antwort siehe oben. Die Modellvariante steht für komfortable Langstreckentouren in Verbindung mit ausreichend PS. Und die findet man in der bayerischen Motorenpalette reichlich.  

Stimmt die Optik? Da scheiden sich Geister und Geschmäcker. Die einen finden das fließende Heck völlig daneben, die anderen wunderschön. Dazwischen gibt es nicht viele Meinungen, der GT polarisiert. Und genau das macht die Designfrage wieder spannend. Formen, über die man nicht spricht, sind in der Regel langweilig. Das kann man vom Dreier-GT nicht behaupten. Vor allem nicht, wenn man seine Vorgeschichte kennt: Als BMW bei der IAA 2009 in Frankfurt den 5er-GT als Schräghecklimousine vorstellte, kam die für viele eher als Schreckheck-Limo rüber. Design-Guru Chris Bangle hatte mal wieder mit einer, sagen wir mal unkonventionellen, Design-Variante überrascht, die von Ästheten als ziemlich globig empfunden wurde. Das Team um seinen Nachfolger Adrian van Hooydonk korrigierte beim 3er-GT die umstrittene Linienführung eindrucksvoll. Herausgekommen ist ein richtig schönes, harmonisches Auto, nachdem sich die Leute umdrehen. Wenn auch manchmal die falschen, wie die folgende Episode beweist: Autobahn Wien - Salzburg, irgendwo im österreichischen Niemandsland. Plötzlich habe ich die Kelle vor der Nase und ein schlechtes Gewissen. Zu schnell? Kaum. 130 erlaubt, 140 im Tempomat eingestellt. Der Gendarm-Ösi nimmt Führerschein und Fahrzeugpapiere mit auf eine sehr bedächtige Umrundung des GT. „A Woahnsinn,“ zeigt er sich schließlich beeindruckt. „So a scheens Auto. Dös is dös erste Moal, dos i den siag. Guade Foart!“ Freie Übersetzung: Der Grand Turismo gefällt auch einem Vertreter der österreichischen Autobahnpolizei. Und tschüs.  

Wie fährt sich der Diesel-GT? Im Prinzip wie jedes andere Mitglied der Dreier-Familie - perfekt. Es sind Kleinigkeiten, die den Unterschied machen: Etwas erhöhte Sitzposition, mehr Platz - vor allem im Fond - durch einen längeren Radstand. Oder ein Spoiler, der bei Tempo 110 automatisch ausfährt und sich bei weniger als 70 km/h wieder versenkt. Der Heckspoiler reduziert laut BMW den Abtrieb an der Hinterachse um 35 Prozent, was für Freunde der flotten Fahrweise durchaus Sinn macht. Und die ist auch im Diesel erlebbar, vor allem nach dem Umschalten in den Sport-Modus. Es folgen herrliche Drehmomente mit bis zu 450 Newtonmeter und ein leichter Anflug von Bedauern, dass bei (völlig ausreichenden) 240 km/h die Topspeed erreicht ist. Fahrwerk und Bremsen sind ohnehin erste Sahne, und so erfüllt der kleine Grand Turismo exakt den Auftrag, der ihm dank seiner Bezeichnung  mitgegeben ist - eine rollende Komfortzone für längere Strecken zu sein.     

Ist er sein Geld wert? Die Frage verbietet sich, denn eigentlich ist der Grand Turismo ein Fall für Individualisten. Und die fragen erst in zweiter Linie nach dem Preis. Außerdem hat sich noch kein BMW verdächtig gemacht, ein Billigfahrzeug zu sein. Erst recht nicht der Grand Turismo. Er liegt ein paar Tausend Euro über der Preisliste der Dreier-Kollegen, und wer in Leder, Soundsystem oder so feine verlockende Assistenzsystem wie das adaptive Fernlicht investiert, investiert in einer Größenordnung, die sich in Richtung 50.000 Euro bewegt. Aber es war ja schon immer etwas teurer, einen guten Geschmack zu haben.  

Fakten, Daten und Zahlen gefällig? BMW 325d Grand Turismo: Motor 4-Zylinder Diesel, Hubraum 1.995 ccm, Leistung 160 kW (218 PS) bei 4.000 U/min., Max. Drehmoment 450 Nm bei 1.500-2.500 U/min., Allradantrieb, 6-Gang-Getriebe, Kofferraum 520-1.600 l, Tank 60 l, 0-100 km/h 7,1 Sek., Höchstgeschwindigkeit 240 km/h, Verbrauch ca. 8 l/100 km. Preis: ab 42.750 Euro.

Markus Boden