Frühjahrsputz: Terror und Alibi!

Bald wird nicht mehr die Stahlindustrie von der EU gefördert, sondern der Frühjahrsputz, fürchtet zumindest unser bekannter und bewährter Kolumnist Martin Trockner:

Das Einzige, was in Deutschland noch verlogener ist als Christian Wulff, ist der Frühjahrsputz. Jedes Jahr irgendwann zwischen März und April bekommen Frauen diese ganz spezielle Anwandlung des Saubermachens und terrorisieren damit andere, in dieser Hinsicht vollkommen schutzlose Lebewesen: Männer.

Seien wir doch bitte mal ehrlich: Warum sollte es einen zeitlich bedingten Termin geben, in dem man beschließt, die komplette Wohnung von oben bis unten zu putzen (ausgenommen von dieser Fragestellung sind selbstverständlich all jene, die gerade ihre Bewerbung für eine der Messie-Sendungen auf RTL2 ausfüllen)? Das wäre ja so, als würde ich einmal im Jahr in meine Stammkneipe gehen mit dem Vorsatz: Heute sauf ich alles weg. Warum ich das nicht mache? Ganz einfach: Weder ich noch meine Leber können sich das leisten. Und genau darum geht es! Nein, nicht um meine Leber, sondern ums Geld.

Der Frühjahrsputz hat für Frauen eine reine Alibifunktion. Getarnt unter dem Motto der überbordenden Reinlichkeit, bringen Frauen ihre alten Lagerbestände aus dem Haus, um sich so Platz zu schaffen für Neueinkäufe. An diesem Tag überwinden Abermillionen deutscher Frauen scheinbar spielerisch ihre Trennungsangst von Klamotten, Schuhen und Möbeln. Rein chronologisch gesehen folgt der Satz: „Schatz, ich hab nichts zum Anziehen“ nur eine Hundertstelsekunde nach dem Ausspruch: „Frühjahrsputz ist fertig.“

Wahrscheinlich ist dieser spezielle Tag (der übrigens immer auf einen Samstag zu fallen scheint) in Deutschland ein größerer Wirtschaftsfaktor als die Stahlindustrie - was an sich beängstigend genug ist, könnten Frauen doch auch den Gedanken kommen, sich den Frühjahrsputz von der EU subventionieren zu lassen. Du glaubst mir das alles nicht? Dann zähl doch mal die Schuhe deiner Partnerin vor und nach dem Frühjahrsputz durch. Und wenn du schon dabei bist: Mach auch gleich mal noch eine Bestandsliste deines Kleiderschranks. Denn mit ihren alten Sachen verschwinden erstaunlicherweise auch stets jene Klamotten, die sie an dir Scheiße  findet - oder wunderst du dich nicht heute noch, wie plötzlich dein Lieblings-T-Shirt mit der Aufschrift „Bier formte diesen wunderbaren Körper“ einfach so verschwinden konnte? Ich jedenfalls boykottiere das Großreinemachen konsequent. Nicht weil ich etwa faul oder unhygienisch wäre, sondern weil in mir das Herz eines schwarzarbeitfreundlichen Kapitalisten schlägt. Gott hat das Wort Putzfrau schließlich nicht allein deshalb erfunden, damit es im Duden herumsteht.

Martin Trockner