Kolumne: Nackt geblendet

Wer Wellness sucht, findet meist das Grauen. In Form von unattraktiven nackten Menschen. Findet zumindest unser Autor Martin Trockner.

Wellness ist geil. In der Theorie natürlich. Und wie alle Dinge, die in der Theorie  geil sind, verkacken sie unfassbar in der Praxis. Das beste Beispiel dafür bin ich selbst. Jedes Mal, wenn meine Freundin vorschlägt, zusammen in eine Therme oder ein Wellness-Hotel zu gehen, läuft in meinem Kopf der gleiche Film ab. Zugegeben: ein Pornofilm.

Ich stelle mir dann vor, dass sich im Nacktbereich und in den Saunen die berühmten drei Ws befinden: wahnsinnig willige Weiber. Selbstverständlich alle mit a) makellosen, gewaxten Modeltraumkörpern ausgestattet, auf denen der Schweiß in Zeitlupe abrinnt (und sicherlich wie Nektar schmeckt) und b) ohne die intellektuelle Fähigkeit, das Wort "Nein" auch nur ansatzweise auszusprechen. Mittendrin natürlich ich. Das Ganze hat das Flair einer römischen Orgie, bei der selbst Caligula noch etwas hätte lernen können. Das wäre Wellness, so wie ich es gern hätte. Das ist Wellness, das es einfach nicht gibt (auch wenn jeder halbwegs ordentliche Werbeprospekt das Gegenteil behauptet).

Womit wir zum unerfreulichen Teil dieser Kolumne kommen: die Praxis. Oder wie manche es auch gern nennen: Realität. Wer es sich je angetan hat, eine Therme oder einen Wellness-Bereich zu besuchen, der weiß, dass Gott vielleicht gerecht und allmächtig ist, aber von Ästhetik so viel Ahnung hat wie Daniela Katzenberger von einem dezenten Make-up. Der Durchschnitts-Wellnessmensch ist in der Regel Frührentner, fett oder starkbehaart. Gemeinerweise treten bei Frauen meist all diese drei Dinge auf einmal zu. Gemein ist beiden Gruppen, dass sie es generell für unnötig halten, ihre Blöße mit einem Handtuch zu bedecken (noch nicht mal ander Bar) und in der finnischen Sauna gern durch leise Stöhn- und Keuchlaute auf sich aufmerksam machen. Ich habe im Saunabereich schon Sachen gesehen, die eigentlich gegen die UNO-Charta der Menschrechteverstoßen. Über Typen, denen so etwas in der Bibel passiert, heißt es danach meist nur lapidar „und fortan war er geblendet“.

Das ist mein Problem mit Wellness. Ich habe keine Schwierigkeiten damit, mich zu entspannen oder gar zu schwitzen; jeder, der mich mal beim Sex gesehen hat, kann das bezeugen. Ich habe ein Problem damit, andere Menschen nackt zu sehen, mit denen ich keinen Geschlechtsverkehr wünsche. Ich kann mich dann einfach nicht entspannen. Meine Freundin hingegen schon. Sie blendet andere hässliche Nackte so erfolgreich aus,wie Philip Rösler die Umfragewerte der FDP.